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Die Haftung des Impfenden wegen COVID-19 Impfschäden

64,9 Mio. Menschen haben (Stand 21.02.2023) mindestens eine Corona-Impfung erhalten. Damit stellen die Corona-Impfungen eine der bedeutendsten Massenimpfungen historischen Ausmaßes dar. Über Impfschäden ist bisher noch nicht viel bekannt. Doch angesichts der Vielzahl der Impfungen sind auch relativ wenig Fälle von Impfschäden von Gewicht. Die Rechtslage in dieser Thematik ist aktuell noch mit Unsicherheit behaftet. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass es in dieser Angelegenheit bisher kaum Gerichtsprozesse und viele juristische Fragestellungen gibt. Dabei betrifft dieser Artikel die mögliche Haftung des Impfenden, nicht eine etwaige Haftung des Impfstoffherstellers.
 
Zunächst richtet sich ein möglicher Anspruch gegen den Impfenden. Dies kann ein Arzt, Apotheker, Zahn- oder Tierarzt sein. Diese Berufsgruppen waren zumindest temporär zum Impfen gegen SARS-CoV-2 berechtigt. Hierbei stellen sich zwei Fragen. Kann der Impfende die Impfung auf nichtärztliches Gesundheitspersonal wie z.B. Pflegefachpersonen oder Hebammen übertragen? Ist der Impfende als haftungsrechtlicher Beamter anzusehen (vgl. § 839 Abs. 1 BGB)? Zumal die Durchführung der Impfung staatlich empfohlen wurde.
 
Gemäß § 630 a Abs. 2 BGB hat die Impfung vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung „nach den zum Zeitpunkt“ der Impfung „bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards“ zu erfolgen. Hier gilt es beispielsweise bei Corona-Impfungen zu berücksichtigen, dass ein Tierarzt oder Apotheker kein „Behandelnder“ i.S.v. §§ 630 a ff. BGB ist. Die Frage ist dann, ob für diese beiden Berufsgruppen nicht ein inhaltsgleiches Pflichtenprogramm aus § 241 Abs. 2 BGB herzuleiten ist. Danach kann das Schuldverhältnis (hier: der Behandlungsvertrag) nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
 
Weiterhin gilt es Rechtssicherheit zu schaffen in der Frage, ob bei den Corona-Impfungen überhaupt einen „allgemein anerkannten Standard“ existiert? Denn es handelt sich um einen neuartigen Impfstoff für den es sicherlich keinen Konsens in der klinischen Erfahrung gibt.
 
Behandlungsfehler können im Rahmen der Corona-Impfung vielfach entstehen. Dadurch dass nicht wie bei vielen anderen Impfungen Fertigspritzen verabreicht wurden, sondern ein Konzentrat zur Herstellung einer Injektionsdispersion, kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine nicht zu unterschätzende Fehleranfälligkeit vorhanden sein wird.
 
Ein weiterer wichtiger Punkt, der viel Potential für Rechtsstreitigkeiten geben wird, ist die Aufklärungspflicht des Impfenden über die damit verbundenen Risiken und die Einwilligung in die Impfung. Eine Einwilligung in eine Impfung ist nur dann wirksam, wenn über die damit verbundenen Risiken zuvor aufgeklärt worden ist. Dabei stellt sich die Frage, welche konkreten Anforderungen an die ordnungsgemäße Aufklärung bei Corona-Impfungen zu stellen sind. Das Landgericht Heilbronn hat in seinem Urteil vom 14.02.2023 (Wo 1 O 65/22) die Rechtsprechung des BGH zu Routineimpfungen für die Corona-Impfungen für anwendbar erklärt. Danach ist es beispielsweise ausreichend, wenn der Impfling am Tag des Eingriffs aufgeklärt wird (BGH, NJW 2000, 1784). Allerdings bedarf es zum Zwecke der Aufklärung auch in diesen Fällen des vertrauensvollen Gesprächs zwischen Arzt und Patienten (BGH, NJW 2000, 1784; BGH, NJW 1985, 1399). Dies wiederrum schließt nicht die Verwendung von Merkblättern aus, in denen die notwendigen Informationen zu dem Eingriff einschließlich seiner Risiken schriftlich festgehalten sind (BGH, NJW 2000, 1784).
Problematisch ist jedoch, ob diese Grundsätze des Bundesgerichtshofs für Routineimpfungen auch im Hinblick auf die Corona-Impfungen anzuwenden sind. Dagegen spricht, dass schon nach dem Wortlaut „Routine“ eine längere Erfahrung und Gewohnheit bei der Verabreichung vorhanden sein muss. Bei den Corona-Impfungen handelt es sich indessen um eine neu eingeführte Impfung mit ganz neu entwickelten Impfstoffen.  Diese wurde vorher weder im Impfkalender der STIKO als Standardimpfung empfohlen noch lagen empirische Daten oder Ergebnisse vor, auf die man zurückgreifen konnte. Vor diesem Hintergrund ist vertretbar, dass eine erhöhte Aufklärungspflicht gegenüber dem Impfling besteht. Der Impfende hat dann eindeutig aufgeklärt zu werden, dass der geplante Eingriff nicht oder noch nicht medizinischer Standard ist und dass unbekannte Risiken zum Zeitpunkt der Impfung nicht auszuschließen sind.
 
Doch nicht nur die Grenzen der Aufklärung des Patienten sondern auch der Verzicht darauf birgt Potential für viele Rechtsfälle. Einer Aufklärung bedarf es nicht, soweit diese ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände entbehrlich ist, insbesondere wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist oder der Patient auf die Aufklärung ausdrücklich verzichtet hat (vgl. § 630 e Abs. 3 BGB). Der Patient muss den Verzicht deutlich, klar und unmissverständlich geäußert und die Erforderlichkeit der Behandlung sowie deren Chancen und Risiken zutreffend erkannt haben. In der Praxis wurden für den Aufklärungsverzicht häufig Formblätter ausgehändigt, auf dem aufgeführt war: „Ich habe keine weiteren Fragen und verzichte ausdrücklich auf das ärztliche Aufklärungsgespräch“. Fraglich ist, ob diese Erklärung den rechtlichen Anforderungen auf den Verzicht genügt. In der Literatur wird teilweise mit guten Argumenten vertreten, dass es sich bei dieser Verzichtserklärung um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) handelt mit Verweis auf das Urteil des BGH v. 02.09.2021 (Az.: III ZR 63/20), vgl. dazu auf der Heiden, r+s. 10/2023, S. 433 ff. Begründet wird diese Ansicht damit, dass ein Aufklärungsverzicht in einem Formular nach § 309 Nr. 12 BGB unwirksam ist. Zum einen ändere der Behandler dadurch die Beweislast zum Nachteil des Patienten, dass er sich „bestimmte Tatsachen“ (hier der Aufklärungsverzicht) bestätigen lasse und zum anderen handle es sich bei den Erklärungen zur Corona-Impfung zumeist um eins von mehreren zu tätigenden Kreuzen. Der „Verzicht“ sei in den Erklärungen häufig nicht eigens hervorgehoben. Der Satz enthalte zwei Aussagen, „keine weiteren Fragen“ und den Verzicht auf das „ärztliche Aufklärungsgespräch“. Dies könne zu Missverständnissen führen. Der Passus „keine weiteren Fragen“ suggeriere, dass zuvor eben doch ein Aufklärungsgespräch stattgefunden habe, in dem Fragen beantwortet worden seien. Dann aber könne in der Aussage kein Verzicht auf die Aufklärung insgesamt gesehen werden sondern nur ein Verzicht auf die „weitere“ Aufklärung.
 
Es bleibt somit spannend, wie sich die Rechtslage in diesem Kontext weiter entwickeln wird, auch im Hinblick auf etwaigen Haftpflichtversicherungsschutz des Impfenden.

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