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Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer:

Urteil des BVerfG vom 17.12.2014 – I BvL 21/12

Mit Urteil vom 17.12.2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Verschonungsregelungen für betriebliches Vermögen teilweise verfassungswidrig sind.
Das BVerfG beanstandete insbesondere, dass im Rahmen der Übertragung von Betrieben nicht produktives Vermögen wie vermietete Immobilien, Wertpapiere sowie Forderungen und Bankguthaben in großem Umfang erbschaftsteuerfrei übertragen werden können. Auch die Lohnsummenregelung hält das Bundesverfassungsgericht in seiner derzeitigen Ausgestaltung für verfassungswidrig. Zudem bedarf die Privilegierung großer Unternehmen laut BVerfG einer besonderen Rechtfertigung.

Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet bis zum 30.06.2016 eine gesetzliche Neuregelung zu schaffen. Bis dahin bleibt das geltende Recht grundsätzlich weiter anwendbar, auch wenn die im Gesetz enthaltenen verfassungswidrigen Regelungen rückwirkend bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des Urteils, also dem 17.12.2014, geändert werden dürfen. Damit sollen künstliche Gestaltungen, welche die vernünftige Anwendung des aktuell ausdrücklich noch für anwendbar erklärten Gesetzes überschreiten und dieses exzessiv ausnutzen, dem Risiko der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt sein. Dabei könnten namentlich die im Urteil ausdrücklich genannten unerwünschten Gestaltungen betroffen sein (T.z. 292 a.E). Nach derzeitiger Einschätzung sollte jedoch der Vertrauensschutz für angemessene Nachfolgegestaltungen bestehen bleiben.

Praxishinweise
Es muss davon ausgegangen werden, dass die anstehenden Neuregelungen in den meisten Fällen zu Steuererhöhungen führen werden, weshalb sich eine Übertragung noch nach geltendem Recht lohnen kann.

Dazu i. E.:

Verwaltungsvermögen
Nach dem aktuellen Erbschaftsteuerrecht können die Vererbung bzw. Schenkung von Betrieben weitgehend von der Erbschaftsteuer bzw. Schenkungsteuer befreit werden, wenn das Betriebsvermögen überwiegend aus produktivem Vermögen besteht. Dabei wird die Verschonung von Erbschaftsteuer grundsätzlich auch bei Unternehmen mit bis zu 50 % Verwaltungsvermögen gewährt. Zu dem Verwaltungsvermögen gehören u. a. vermietete Immobilien, Wertpapiere sowie Forderungen und Bankguthaben, soweit Letztere eine für den Betrieb erforderliche „Eigenkapitalquote“ übersteigen.

Beträgt demnach die Quote des schädlichen Verwaltungsvermögens zwischen zehn und fünfzig Prozent, wird die Übertragung zu 85 % freigestellt (Regelverschonung). Daneben gilt zusätzlich eine Freigrenze von € 150.000,00, so dass bei einer Regelverschonung Betriebe mit einem Wert von bis zu € 1.000.000,00 nach derzeit geltendem Recht von der Erbschaftsteuer komplett freigestellt werden können. Beträgt demgegenüber das schädliche Verwaltungsvermögen nicht mehr als 10 % vom Unternehmenswert, wird die Übertragung des Betriebes zu 100 % von der Erbschaftssteuer befreit (Optionsverschonung).

Dieses Verschonungsinstrumentarium der §§ 13a und 13b ErbStG ist vom Bundesverfassungsgericht beanstandet worden. Diese „Alles-oder-Nichts-Lösung“ hält das Bundesverfassungsgericht für unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Es spricht vieles dafür, dass das schädliche Verwaltungsvermögen zukünftig konkret identifiziert wird, wie es derzeit schon zur Bestimmung der Verwaltungsvermögensquote vorgesehen ist, und sodann von der Verschonung nach § 13 a, 13 b ErbStG ausgenommen wird, um das Gesetz verfassungsfest zu reformieren. Inwieweit dabei ein Anteil von 15 % steuerfrei bleibt, ist abzuwarten.

Im Zuge der anstehenden Novellierung des Erbschaftsteuergesetztes kann sich bei Unternehmen mit einem hohen Verwaltungsvermögensanteil (bis einschließlich 50 %) eine Übertragung nach noch geltendem Recht lohnen. Hat beispielsweise ein Unternehmen einen Verwaltungsvermögensanteil von 45 %, kann eine Übertragung des Unternehmens nach bisherigem Recht zu 85 % bzw. 100 % steuerfrei sein. Dem gegenüber kann eine Übertragung nach neuem Recht dazu führen, dass nur 55 % steuerbefreit sind.

Lohnsummenregelung
Weitere Voraussetzungen für die Verschonung von Betriebsvermögen ist derzeit, dass der Betrieb die Lohnsummen zum Zeitpunkt der Vererbung bzw. die vorweggenommene Erbfolge des Betriebes in den nächsten fünf bis sieben Jahren weitgehend unverändert beibehält. Anderenfalls wird die Freistellung anteilig gekürzt. Nach aktuellem Recht sind jedoch Kleinbetriebe mit bis zu zwanzig Mitarbeitern von dieser Lohnsummenkontrolle ausgenommen. Diese Ausnahmeregelung hat das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Dazu führte es aus, dass in der Praxis etwa 90 % der Betriebe nicht mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigen. Betriebe die über mehr Mitarbeiter verfügen, konnten bis Mitte 2013 zudem durch einfache Gestaltungen, wie z. B. Betriebsaufspaltungen, die Zahl der Mitarbeiter auf 20 oder weniger senken.

Damit die Lohnsummenkontrolle künftig der Regelfall werde, könne eine Ausnahme nur für Betriebe mit wenigen Mitarbeitern zulässig sein. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Anzahl indes nicht definiert; allerdings in der mündlichen Urteilsbegründung vom 17.12.2014 in Karlsruhe angemerkt, dass man in diesem Kontext „möglicherweise von bis zu sieben Beschäftigten“ ausgehen könnte.

Auch vor diesem Hintergrund kann sich für Unternehmensinhaber dringender Handlungsbedarf ergeben. Denn die Einhaltung der Lohnsumme und damit der Mitarbeiterstärke über Jahre hinweg, stellt für den Erwerber eine nicht unerhebliche Einschränkung und wegen der möglicherweise korrigierten Verschonungsabschläge bei Nichteinhaltung der Lohnsumme eine finanzielle Unsicherheit dar.

Bedürfnisprüfung
Neben dem Erhalt von Arbeitsplätzen soll durch die Verschonung von Erbschaftsteuer auch erreicht werden, dass Unternehmen nicht aufgrund der Erbschaftsteuerzahlungen zerschlagen werden. Das Bundesverfassungsgericht bekundete, entsprechende Regelungen bei kleinen und mittleren Unternehmen nachvollziehen zu können. Dies gelte aber nicht ohne weiteres auch bei großen Unternehmen. Deshalb verlangt es eine Prüfung, ob die Verschonung von Erbschaftsteuer tatsächlich erforderlich ist, um Unternehmen und/oder Arbeitsplätze zu erhalten. Allerdings lässt das Bundesverfassungsgericht am Ende offen, wie diese Prüfung auszusehen hat und welche Unternehmen als große Unternehmen einzustufen sind, verweist aber auf die diesbezüglichen Empfehlungen der EU-Kommission. Im Ergebnis wird es zu einer Differenzierung zwischen kleinen und mittleren sowie großen Unternehmen kommen.

Handlungsbedarf
Bei vielen Unternehmen werden die anstehenden gesetzlichen Neuregelungen zur erbschaftsteuerlichen bzw. schenkungsteuerlichen Mehrbelastung führen. Wer erwägt seinen Betrieb zu übertragen oder Angehörige zu beteiligen, sollte die noch geltende Rechtslage nutzen. Der Vize-Präsident des Bundesfinanzhofes, H.-U. Viskorf äußerte sich dazu in einem Interview (Westfälische Nachrichten vom 13.02.2015 „Nur Pechvögel müssen zahlen“) wie folgt: „Wer jetzt noch übertragen will, sollte dies natürlich tun, denn günstiger als jetzt wird es zukünftig sicherlich nicht werden“.
Gerne sind wir Ihnen bei der Prüfung Ihres Falles behilflich und stehen Ihnen für Rückfragen gerne zur Verfügung.


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